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Was man beim Abruf einer Gewährleistungsbürgschaft rechtlich beachten muss

two people shaking hands over a piece of paper

Die Gewährleistungsbürgschaft ist ein zentrales Instrument im Bau- und Anlagenbereich, um Mängelansprüche nach Abnahme abzusichern. Sie ersetzt in vielen Fällen die Einbehaltung eines prozentualen Anteils der Auftragssumme und schafft auf beiden Seiten Handlungsspielräume – vorausgesetzt, man versteht die rechtlichen Rahmenbedingungen und formalen Anforderungen beim Abruf. Denn gerade hier entstehen regelmäßig Missverständnisse, die zu berechtigten Ablehnungen führen oder rechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Eine Gewährleistungsbürgschaft ist keine Blankovollmacht, sondern unterliegt klar definierten Voraussetzungen. Wer sich dieser nicht bewusst ist, riskiert nicht nur die Unwirksamkeit des Abrufs, sondern unter Umständen auch Reputationsschäden oder wirtschaftliche Nachteile.

Der Abrufmechanismus ist mehr als ein einfaches Schreiben an die Bank oder Versicherung. Er ist ein juristisch sensibler Vorgang, bei dem insbesondere die Nachweispflichten, Fristen und Vertragsgrundlagen präzise einzuhalten sind. Eine pauschale Formulierung oder eine unvollständige Anspruchsbegründung genügt in der Regel nicht. Vielmehr verlangt die rechtliche Realität einen Abruf, der sowohl sachlich begründet als auch vertraglich zulässig ist – und der innerhalb der vereinbarten Gewährleistungsfrist erfolgt.

Welche formalen Voraussetzungen erfüllt sein müssen

Bevor eine Gewährleistungsbürgschaft abgerufen werden kann, ist zu prüfen, ob die vertraglich vereinbarten Bedingungen erfüllt sind. Die Bürgschaftsurkunde selbst bildet die Grundlage und enthält meist konkrete Vorgaben zur Form, zum Geltungsbereich und zur Laufzeit. In der Regel ist der Bürgschaftstext Bestandteil des Bauvertrags oder liegt in Form einer eigenständigen Sicherungsvereinbarung vor. In beiden Fällen gilt: Der Text ist rechtlich bindend – eine missverständliche oder zu weitgehende Auslegung durch den Begünstigten kann schnell ins Leere laufen.

Damit der Abruf einer Gewährleistungsbürgschaft überhaupt rechtlich Bestand hat, muss zunächst ein konkreter Mangel vorliegen, der während der vereinbarten Frist aufgetreten ist. Darüber hinaus muss der Auftragnehmer in Verzug mit der Mangelbeseitigung sein oder sich weigern, dem Anspruch nachzukommen. Ohne diesen Verzug kann die Inanspruchnahme als unrechtmäßiger Eingriff in vertragliche Rechte gewertet werden. Wer eine Gewährleistungsbürgschaft nutzt, sollte deshalb vorab dokumentieren, wann und in welcher Form der Mangel angezeigt wurde und wie der Auftragnehmer reagiert hat – oder eben nicht.

Welche Nachweise den Abruf rechtlich absichern

Der formale Rahmen allein genügt nicht – der Inhalt des Abrufschreibens ist entscheidend. Es muss klar hervorgehen, worin der behauptete Mangel besteht, welche Maßnahmen zur Behebung gefordert wurden und wie der Auftragnehmer darauf reagiert hat. Eine schlichte Mitteilung, dass die Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch genommen werde, reicht nicht aus. Vielmehr muss man die Anspruchsgrundlage präzise darlegen, um den Sicherungsgeber in die Lage zu versetzen, die Berechtigung des Abrufs zu prüfen.

Oft verlangen Banken oder Versicherungen eine eidesstattliche Erklärung oder einen Sachverständigennachweis. Auch Lichtbilder, Prüfprotokolle oder Gutachten können erforderlich sein, um die Berechtigung des Abrufs zu belegen. Bei Unstimmigkeiten über das Vorliegen eines Mangels ist die Beweisführung häufig der Dreh- und Angelpunkt. Deshalb empfiehlt es sich, alle Gewährleistungsfälle lückenlos zu dokumentieren – von der Mängelrüge bis zur letzten Kommunikation mit dem Auftragnehmer. Nur dann lässt sich eine Gewährleistungsbürgschaft tatsächlich in eine wirksame Leistungspflicht überführen.

Warum Fristen und Verjährung regelmäßig unterschätzt werden

Die Fristen, die bei einer Gewährleistungsbürgschaft gelten, sind verbindlich – sowohl was die Laufzeit der Bürgschaft selbst als auch die zugrundeliegenden Mängelansprüche betrifft. Häufig beginnt die Gewährleistungsfrist mit der förmlichen Abnahme des Werks. Von diesem Zeitpunkt an läuft ein Zeitraum, innerhalb dessen Mängel angezeigt und geltend gemacht werden müssen. Danach greift die Verjährung, und ein Abruf der Gewährleistungsbürgschaft ist ausgeschlossen – selbst wenn der Mangel objektiv existiert.

Viele Unternehmen unterschätzen die Komplexität dieser Fristen, insbesondere wenn sich Mängel erst spät zeigen oder interne Abläufe zu Verzögerungen führen. Auch „verlängerte“ Bürgschaften mit unklaren Enddaten können rechtlich angreifbar sein, wenn die Frist nicht eindeutig definiert wurde. Wer auf die Gewährleistungsbürgschaft setzen möchte, muss deshalb Fristen dokumentieren, rechtzeitig aktiv werden und den Abruf vor Fristablauf rechtssicher formulieren. Besonders bei großen Projekten mit mehreren Beteiligten ist es sinnvoll, interne Reminder und Fristenkontrollen zu etablieren, um keinen Anspruch zu verlieren.

Wie man rechtliche Risiken beim Abruf minimiert

Die rechtliche Grundlage der Gewährleistungsbürgschaft ist das Dreiecksverhältnis zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer und Sicherungsgeber – meist eine Bank oder ein Versicherungsunternehmen. Der Abruf ist nicht nur ein Eingriff in dieses Verhältnis, sondern auch ein potenzielles Haftungsrisiko. Wer unberechtigt abruft, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch rechtliche Schritte des Auftragnehmers – bis hin zu Schadensersatzforderungen.

Deshalb ist es empfehlenswert, den Abruf rechtlich vorab prüfen zu lassen, insbesondere bei hohen Sicherungssummen oder komplexen Sachverhalten. Auch die Abstimmung mit der Rechtsabteilung oder einem spezialisierten Baujuristen kann helfen, formale Fehler zu vermeiden. Wer regelmäßig mit Gewährleistungsbürgschaften arbeitet, sollte außerdem standardisierte Prozesse und Vorlagen nutzen – diese geben Sicherheit und sparen Zeit. Nur mit rechtlich belastbaren Strukturen kann man das volle Potenzial einer Gewährleistungsbürgschaft nutzen – ohne sich unkalkulierbaren Risiken auszusetzen.